Donnerstag, 29. September 2016

Differenzieren, bitte!

Ich erlebe manchmal, dass Leute in Deutschland, sobald sie erfahren, dass wir in Dubai leben, nicht so genau über die Region Bescheid wissen. Das ist schon in Ordnung, denn: It's complicated, und nicht jeden interessiert's. Muss es auch nicht, aber amüsant ist es trotzdem, wenn die kleinen UAE mit dem riesigen Saudi Arabien verwechselt werden. "Ohgottogott, da darf deine Frau ja nur mit Burka raus, und Autofahren darf sie auch nicht!!!". Ja, aber dafür darf ich sie aufessen, wenn ich hungrig bin, ha!

Alles Quatsch natürlich, aber solange solch offensichtliche Enten verbreitet und geglaubt werden (man möchte es ja zu gerne, gell, passt ins Vorurteilsschema und zum Bart), besteht eben Verwechslungs- und Trugschlussgefahr.

Ein kürzliches Ereignis erklärt den Unterschied zwischen dem dogmatischen Kopf-Ab-Saudi-Arabien und den relativ liberalen UAE, nämlich der Besuch unseres Staatsoberhauptes beim Papst.


Während unser Kronprinz, der den erkrankten Präsidenten vertritt, für Toleranz wirbt und sich dabei bestens mit Franziskus versteht, fällt Saudis Obermufti nichts besseres ein, als mal eben 80 Millionen schiitische Muslime zu Ungläubigen zu erklären. Erstaunlich, wie der alte Zausel da plötzlich unserem greisen Ratzinger ähnelt, als der (wieder mal) den Evangolen abgesprochen hat, echte Christen zu sein (Link!). Da hilft nur die historisch verbürgte Referenz zur Vau-Vau-Jott und viel Messwein dazu.

Natürlich darf man auch hier nichts Kritisches über den Islam äußern, aber warum sollte man das als Gast in einem islamischen Land auch tun. Auf der anderen Seite gibt es christliche Kirchen, man sieht das Fischsymbol auf manchen Autos und den Rosenkranz mit Kreuz vom Rückspiegel baumeln. Hindutempel etc. gibt's auch, alles kein Problem, solange man Decency zeigt. Daher kann man Aussagen wie folgende auch als ernst gemeint verbuchen:

It is critical to take every opportunity to show a united front against all forms of intolerance. Pope Francis has reached out to faith leaders of all religions to reject extremism wherever it occurs. The UAE is proud to stand with him. We believe that the ideology and actions of extremists do not represent the core ethos of Islam and must be loudly denounced on that basis. Above all, this is a battle for hearts and minds.


Dienstag, 20. September 2016

Die neue Oper

Wie vor einem Jahr haben wir die neue "Kultursaison" wieder mit einem Besuch in der Oper eingeläutet. Das letzte Großereignis hier war die Eröffnung der Dubai Opera, denn es kann ja nicht sein, dass in Maskat eine steht und sich Abu Dhabi mit Guggenheim und Louvre brüstet, aber Dubai mal nix hat, womit es angeben kann.

Meine Neugierde auf das Gebäude war groß, jedenfalls größer als auf die Vorstellung selbst: Coppelia, ein populärer Ballettstandard mit im weitesten Sinne nussknackerähnlicher Handlung, zwar ohne Mäuse aber mit ebenso zuckriger Ummantelung. Aufgeführt wurde es vom Russian State Ballet & Opera of Siberia. Achtung, man muss hier die Klammern gedanklich richtig setzen: Nicht (Russisches Staatsballett) & (Opera of Siberia), sondern (Alle aus Sibirien). Na gefroren haben die jedenfalls nicht bei uns.

Zweite Garde also, was sogar ich Banause an den wenigen echten Stunts, dafür diversen Unsymmetrien am Gehoppel auf der Bühne, gemerkt habe. Aber ich bin ja auch vor allem meiner Frau zuliebe mit, Hobbyballerina seit Jahrzehnten - tja, wenn das kein Liebesbeweis ist!

Das Gebäude ist gleich neben dem Burj Khalifa im ultraschicken Viertel Downtown Dubai und fügt sich hervorragend ein. Nicht zu groß, nicht pompös, die Einrichtung schön spacig, mit bequemer Bestuhlung und viel Beinfreiheit. Zur Eröffnung kamen Placido Domingo und natürlich unser oberster Bestimmer. Demnächst schaut auch noch der Carreras vorbei, aber immerhin haben sie den Dritten im Bunde nicht wieder ausgegraben.

Ansonsten ist das Programm noch mau und wirklich nicht die angestrebte "Weltklasse". Genervt hat außerdem, dass Latecomers selbst 20 Minuten nach Beginn noch reintrampeln durften, als wär's ein Fussballspiel. Aber vielleicht sind wir da zu bildungsbürgerlich-deutsch statt cool-amerikanisch oder chaotisch-arabisch. Hier noch ein paar miese Bilder:








Dienstag, 13. September 2016

Elektrisierende Entwicklung

Noch ein Nachtrag zur Norwegen-Reise: Es ist wirklich erstaunlich, wie es auf den dortigen Straßen nur so wimmelt von Teslas. Gefühlt ist jedes zehnte Auto ein Tesla S oder ein anderes Elektro-/Hybridfahrzeug, die am Kennzeichen EL leicht zu erkennen sind wie unten im Bild.


Das ist freilich kein Zufall, sondern liegt an einem weitreichenden Förderkonzept: In Norwegen macht eine exorbitant hohe Anmeldesteuer Autos rund doppelt so teuer wie in Deutschland. Diese Steuer fällt bei E-Autos weg, hinzu kommen: Benutzung der Busspur, freies Parken in der Stadt, keine Mautgebühren, umsonst mit der Fähre fahren, kostenlos Strom tanken. All das ist dort wirklich teuer, also kann sich jeder Norwegerpulli leicht ausrechnen, wann der Return of Investment für ein 100,000-Euro-Auto wie den Tesla erreicht ist.

Das Programm ist dermaßen erfolgreich, dass es nun zu überhitzen droht. Einige Privilegien werden wohl bald gestrichen. Die Grundlage ist jedoch vorhanden, um den ambitionierten Plan zu verfolgen, in 10 Jahren keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen. Norwegen ist eines der reichsten Länder der Welt, es kann sich das leisten.

Ein Blick nach Deutschland: Soviel bekommt der deutsche Steuerzahler für 55 Millionen Euro, wenn sich der Staat einmischen zu müssen glaubt: Sagenhafte acht (8!) Ladestationen entlang der A9 zwischen Berlin und München.


55,000,000 EUR "Fördergelder", mit denen sich die Industrie die Entwicklungskosten finanzieren lässt, statt selbst Geld in die Hand zu nehmen. Das hat dann den schönen Bullshit-Namen "Schaufenster der Elektromobilität", und durch ebendieses Fenster wurde das Geld geworfen. Rund 7 Mios pro Station, intelligente Förderung sieht anders aus - von der erfolglosen 4000-Euro-Prämie nicht zu reden. Dabei gibt es ausreichend Vorbilder, nicht nur in Norwegen, sondern z.B. Kalifornien und demnächst China, man stelle sich vor!

Bei Tesla auf der Haben-Seite: Ein Netz von 58 Supercharger-Stationen in Deutschland, dicht genug für die große Reichweite dieser Modelle. Die Errichtungskosten liegen gerade mal bei 270,000 US Dollar pro Stück. So geht das also auch.


Tesla lässt sich nicht aushalten, sondern investiert, entwickelt, installiert, und stemmt dabei das unternehmerische Risiko alleine! Die Strategie dazu ist langfristig und umfassend: Es gibt nicht genug Batteriehersteller auf der Welt, also baut sich Tesla eine eigene Fabrik, das flächengrößte Gebäude der Welt, vollständig gespeist von den Solarzellen auf dem Dach. Nebenbei übernimmt Tesla gerade das Unternehmen SolarCity, um damit eine Infrastruktur für private, regenerative Ladestationen aufzubauen. Damit schließt sich der Kreis.

Diese Vision und das damit verbundene Risiko verdienen Respekt. So geht Unternehmertum, und ich wünsche Tesla und Elon Musk alles Gute. Unvorstellbar, dass VW & Co dazu in der Lage wären - Krauter und Hasenfüße im Vergleich, die sich lieber dafür feiern lassen, Steuergelder zu verbrennen ohne zu liefern. Hauptsache, sie verkaufen weiter ihre Stinkdiesel, nachdem sie sich auf diesem Irrweg langfristig verrannt haben. Hier gibt mittlerweile die Schafherde (der Verbraucher) einen kleinen Anlass zur Hoffnung. Scheints lernen immer mehr Schafe auszurechnen, ab wieviel km Fahrleistung pro Jahr ein Diesel überhaupt Sinn macht, und schauen sich anlässlich des ernüchternden Ergebnisses nach Alternativen um. Das liese sich leicht potenzieren, wenn man endlich die unsinnige Dieselsubvention abschaffen würde, nur leider wird das in dieser Lobbyrepublik nicht passieren. Siehe auch Tempolimit.

Hier noch eine Überleitung zu den UAE, um dem Thema des Blogs gerecht zu werden:

Die Wirtschaft der UAE hängt stark vom Öl ab. Dubai, das zweitgrößte Emirat nach Abu Dhabi, ist dabei die einzige Ausnahme, da es rechtzeitig und stark diversifiziert hat. Dubai erwirtschaftet nur noch ca. 10% seines BIP vom Öl, den Rest vor allem durch Tourismus und Handel. Außerdem raffiniert das Land sein Öl nicht selbst, sondern importiert Benzin und Diesel teuer, um es dann hoch subventioniert an den Tankstellen zu verkaufen (z.Zt. 0.42 €/l Super).

Gerade Dubai hätte also nur Vorteile von einer kompletten elektrischen Infrastuktur, wie sie Tesla heute schon hinstellen könnte: Fast alle Städte innerhalb der UAE könnte man mit einer einzigen Ladung erreichen. Für den typischen Commute zw. Dubai und Abu Dhabi auf der Sheikh Zayed Road reicht es sogar mehrmals.

Auf der anderen Seite: Von den 10% Öleinnahmen werden die öffentlichen Gehälter bezahlt. Wegen des niedrigen Ölpreises hat die Region ein riesiges, selbstgemachtes Haushaltsproblem. In der Wirtschaftskrise 2008, als die allzu spinnerten Projekte geplatzt sind, wurde Dubai von Abu Dhabi nur dank der Ölgelder rausgehauen. Nicht zuletzt deswegen muss sich Dubai vom großen Bruder in Abu Dhabi gängeln lassen, der wiederum vom Hegemon Saudi Arabien an der kurzen Leine gehalten wird (Beispiel Stellvertreterkrieg mit Iran im Jemen). Und natürlich haben letztere vor nichts größeren Schiss, als dass keiner mehr ihr Öl will, weil nun alles elektrisch fährt.

Anlass zum Optimismus gibt es trotzdem. Das Interesse an Tesla & Co ist groß, möglicherweise geht bald ein Tesla-Dealer an den Start. Wenn Dubai mal eine Vision umzusetzen beschließt, dann wird das i.d.R. auch gemacht. Gerade die Infrastrukturprojekte wurden auch in der Krise fortgeführt. Zusammen mit Tesla ein Netz von Superchargern einzurichten, wäre ein Leichtes. Rund 100 generische Lader gibt es schon. Und für den Strom hat Dubai bereits den richtigen Plan aufgelegt: Zwei riesige Solarkraftwerke (weltgrößt wie üblich), eins für Photovoltaik und eins für Solarthermik.

Auch hier würde sich der Kreis schließen. Dubai hätte das Zeug, Norwegen damit sogar zu überholen. Die Auswirkungen des extremen Klimas wurden kürzlich in einem Regulatorium zusammengefasst, die Polizei- und Taxiflotten bekommen Zuwachs an Hybridautos, elektrische Busse und sogar Boote werden getestet.

Und ich selbst würde nur zu gerne den geilen Tesla 3 fahren, wenn er denn mal verfügbar ist.

Montag, 5. September 2016

Flughafenüberdosis

Es gibt vermutlich nicht viele Orte auf der Welt, von denen man drei internationale Flughäfen innerhalb einer Stunde erreichen kann und dabei fast nichts vom Flugverkehr mitbekommt. Von unserer Ecke aus haben wir die freie Wahl zwischen DXB (Dubai International, mein Projekt von 2004 bis 2008), AUH (Abu Dhabi, meine jetzige Baustelle), und neuerdings auch DWC (Al Maktoum International, auch Dubai World Central).


DWC liegt gleich in der Nachbarschaft neben dem Gelände für die Expo 2020, dem nächsten großen Ding hier in Dubai. DWC ist kurios: Während DXB aus allen Nähten platzt, ist in DWC mit seinem kleinen Terminal nix los. Tote Hose, noch, aber alles neu und großzügig. Langzeitparken direkt vorm Eingang: kostenlos. Drinnen kaum ein Mensch, in 10 Minuten ist man vom Auto am Gate, einfach klasse. Ich habe das bei meinem letzten Abflug mal festzuhalten versucht:



Seitdem ist DWC mein klarer Favorit, solange der Zustand anhält. Das wird nicht lange sein, denn der ohnehin schon riesige DXB wächst stetig, ist bald an der Kapazitätsgrenze und wird beginnen müssen, Fluglinien nach DWC zu verdrängen. Um alle aufzunehmen, wird dieser zum größten Flughafen der Welt erweitert. Emirates Airlines soll ca. 2025 ebenfalls komplett nach DWC umziehen. Danach ist der schöne DXB obsolet und kann abgerissen, das wertvolle Areal vergoldet werden. Das wäre zwar schade um das derzeit größte Baggage Handling System des Planeten (und WER hat's gemacht, na?), aber:

Das alles ist Teil eines großen Masterplans, der die Expo und noch viel mehr umfasst. Hier geschieht Stadtentwicklung eben im Zeitraffer, mit einem Zeithorizont von mindestens 50 Jahren. Die Weltwirtschaftskrise hat diesen Plan für ein paar Jahre ausgebremst. Seit der Expo-Vergabe 2013 wird aber wieder kräftig Gas gegeben.

Die Ausschreibung für DWC Phase 1 ist gerade raus, und es ist gigantomanisch, geradezu beängstigend. Zum Vergleich: DXB schafft 80 Millionen Passagiere im Jahr, DWC dann 120 Millionen und zieht mit Rekordhalter Atlanta gleich. Phase 2 soll die Kapazität auf 250 Millionen mehr als verdoppeln. Irre!


Drumherum wird eine ganze Stadt entstehen, Dubai South, sowie eine riesige Logistik-Infrastruktur, denn natürlich wird DWC damit auch zum weltgrößten Cargo-Hub, der dann wiederum an die größte Freihandelszone der Welt, Jebel Ali Free Zone, angeschlossen ist.

So, genug Superlative. Was meine kleine Mission in Abu Dhabi angeht: Wir werden wohl ein bisschen was dranhängen müssen, da sich der Eröffnungstermin des neuen Midfield Terminals verzögern wird. Jaja, Flughäfen, wir wissen Bescheid... Nota bene, an unserem System liegt's nicht! Ein bisschen Industriehardcore zum Schluss: