Dienstag, 28. Juni 2016

Modernere Medizin

Bin ich aber mal froh, dass ich zu meiner Nasenscheidewand-OP vorher nicht im Internet unterwegs war. Mein lieber Scholli, was gibt es da für Horrorgeschichten. Manche erzählen sogar auf YouTube, wie eine Axt durch ihren Schädel fuhr, und ähnlich wirres Zeug.

Aber auch die seriösen Seiten der Krankenkassen und Kliniken stellen das als mittelschweren Eingriff dar: Ein bis zwei Wochen Krankschreibung, drei bis sieben Tage stationärer Aufenthalt im Krankenhaus, im Bett bleiben, tägliches Absaugen, keine Belastung, Kopf nicht vorbeugen, nicht niesen, nicht schnäuzen, aber wenn, dann bittschön nur einseitig mit offenem Mund, wenn möglich dabei nach Osten schauen... Und selbst die Brille solle man "vorsichtig tragen" - wie bitte trägt man eine Brille denn unvorsichtig?

Alles Quatsch. Bei mir lief das so, und es war wegen der extremen Verkrümmung keine ganz einfache Korrektur: Am Montag um 7 Uhr in die Klinik gefahren, OP um 9, schlagartig aufgewacht um 10:30. Null Schmerzen, nur rauher Hals und Riesenhunger. Was gegessen, viel getrunken, ein Buch gelesen. Um 13 Uhr nach Hause, den restlichen Tag im Bett verbracht. Am Dienstag ohne Probleme auf den Beinen, mit Mullverband unter der Nase, damit nichts tropft. Am Mittwoch schon wieder gearbeitet. Am Donnerstag kamen die Tamponaden raus, am Samstag die Silikonstützen. Das war's schon, kein Krankenhaus, keine Schmerzen, nur drei Tage lästige Mundatmung, weil Nase zugestopft. Hat sich gelohnt!

Ein ziemlich krasser Unterschied der Gesundheitssysteme im gesamten Ansatz, finde ich. Diese Erfahrung ist allerdings nicht neu für uns:

Beispiel 1: Kinderkriegen in den USA. Ein Zimmer wie ein Hotel, mit Sofabett für den Papa, und Whirlpool für die Schwangere. Sehr persönliche Betreuung durch Hebamme und Arzt, Geburt im selben Zimmer. Bei normalem Ablauf einen Tag noch drinbleiben, bei Kaiserschnitt drei Tage, dann ab nach Hause, Hebamme on stand-by. In Deutschland: Kreißsaal, und ein viel längerer Aufenthalt im Krankenhaus.

Beispiel 2: Vasektomie, ebenfalls USA. Zur Klinik fahren, 150 Dollar hinblättern, kurzes Interview zur Familienplanung, Spritze in die Kronjuwelen, schnipp-schnapp, wieder heimfahren (selber), hinlegen, zwei Tage dicke Eier, Eispacks, fertig. Damals in Good Old Germany: Drei Tage Krankenhaus, 800 Mark selber zahlen, und - man stelle sich vor - ein Pfleger rasiert einem vorher noch die Schrumpelpflaumen, neiiiinnn.

Woran liegt das also? Das Resultat ist ja dasselbe: Gleiche Lebenserwartung und gesunde Kinder hier wie dort.

Natürlich gibt es etliche Papiere, die die Gründe für diese Diskrepanz detailliert ausbreiten. Ich meine: In Ländern wie USA und UAE wird von den Krankenversicherungen mächtig Kostendruck ausgeübt, was zu deutlicher Effizienzsteigerung führt, denn es gibt dabei echten Wettbewerb. In Deutschland ist dieser Druck zu gering, das Gesundheitssystem vergütet mit niedrigen Pauschalbeträgen und ohne Incentive in Bezug auf Effizienz. Also hat sich der Medizinbetrieb darauf verständigt, an sich einfache Sachen aufzublasen, um eben so ans Geld zu kommen. Und nebenbei verliert man gerade den Anschluß an der Technologiefront, aus genau denselben Gründen.

Es geht also auch anders, bei gleichen Kosten, gleicher oder sogar besserer Qualität, und zum Vorteil des Patienten. Wer legt sich schon gerne drei Tage ins Krankenhaus, wenn man - bei Anwendung moderner Verfahren - quasi zum Mittagessen wieder zu Hause sein kann.

Ein positives Gegenbeispiel möchte ich nicht unterschlagen: Carls OP in Rummelsberg verlief nach diesem Muster: Minimalinvasiver Eingriff, modernste Methode, sehr kurzer Krankenhausaufenthalt, voller Erfolg.

Die Klinik hier in UAE war übrigens topmodern eingerichtet, gut organisiert und auf optimierte Abläufe ausgerichtet. Wie üblich hier bei uns kommt das Personal einschließlich der Ärzte von überall her und arbeitet reibungslos zusammen, man kann das beobachten im Umgang miteinander. Bisher war es üblich, für kompliziertere Behandlungen ins Ausland zu gehen. Dieser Trend verschiebt sich gerade: Vieles (aber nicht alles) kann mittlerweile hier gemacht werden, und es entsteht nun ein Medizintourismus vom Fernen in den Mittleren Osten.

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