Dienstag, 12. April 2016

Dichtung und Wahrheit

Der weltweit übertragene Brand des Hotels The Address am Silvesterabend und die anschließenden "News" dazu sind ein schönes Beispiel dafür, wie Ereignisse, die an sich einfach recherchier- und darstellbar sind, durch die Medien verzerrt werden. Gemeint ist hier ganz und gar nicht der Begriff "Lügenpresse", sondern schlicht und einfach Sensationsgier, Recherchefaulheit und Ignoranz. Die niederen Instinkte halt, während ersteres, also das bewusste und gesteuerte Verbreiten von Desinformation, ja richtig Mühe macht.

Ein Teil ist dem Druck geschuldet, im Online-Zeitalter bloß nicht eine Minute zu spät mit einer Breaking News rauszukommen. Andererseits: Jedesmal, wenn mir in den etablierten Blättern ein Thema in die Finger kommt, von dem ich selbst etwas verstehe, bin ich von der Anzahl inhaltlicher Fehler überrascht und verärgert. Muss das denn sein? Wenn das schon bei dem bisschen, was ich weiß, so hingepfuscht ist, was ist dann vom großen Rest zu halten?

In diesem Fall: Schon bei der Live-Übertragung auf CNN konnte man aus der Stimme der hysterischen Sprecherin hören, dass sie sich einen zünftigen Terrorakt geradezu herbeigewünscht hat. Von "Explosionen" war die Rede und von "Augenzeugen", während man aus ca. 10 km Entfernung einen pixeligen Webcam-Stream gezeigt hat, tatsächlich aber niemand vor Ort war.

Die Amis halt, könnte man jetzt sagen. Nützt aber nichts, denn bei "uns" sah es nicht besser aus. Von Bild bis Spiegel schrieben alle ungeprüft den größten Blödsinn voneinander ab.

Der in Dubai ansässige Profi-Fotograf und Blogger Paul Knete hat hierzu einen klasse Beitrag geschrieben, gleich am 2. Januar.

https://pauleknetesworldofpictures.wordpress.com/2016/01/02/brand-des-address-hotels-in-dubai/

Sein treffendes Schlusszitat: Zu allem eine Meinung, aber immer öfter keine Ahnung. Das unterschreibe ich sofort, vor allem für Beiträge aus unserer Region, dem Mittleren Osten.

Was war wirklich passiert? Es war mal wieder ein Fassadenbrand, ausgelöst durch einen Kurzschluss an einem Außenscheinwerfer. Davon gab es bereits hinreichend viele, so dass wir mittlerweile schon an der Art des Feuers Ferndiagnosen erstellen können.

Das Thema ist ein echtes Problem, da es noch Hunderte von Wolkenkratzern gibt, die mit nicht brandhemmenden Paneelen verkleidet wurden. Die Vorschriften und Kontrollen hierzu wurden erst vor wenigen Jahren verschärft, und bis dahin hat man eben den billigen Mist aus China verbaut.

Jetzt wird umgesteuert und alles mögliche veranlasst, um die Situation zu entschärfen. Das wird dauern, der nächste Brand kommt bestimmt, und hoffentlich wird er so glimpflich ausgehen wie die bisherigen: Verkohlte Fassade, Stockwerke unter Wasser, Riesenschaden, Riesenärger, aber kein Terroranschlag, keine Panik und keine Toten - auch wenn manche Medien das gerne so hätten.

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