Donnerstag, 15. Juni 2017

Draußen 40, drinnen minus 5

Es ist schon lange her, dass wir von Abfahrtski auf Langlauf umgestiegen sind - irgendwann wurde uns dieser ganze Skizirkus und der Anblick mancher Hänge im Sommer einfach zuviel. Langlauf ist mehr unser Ding, und es sind diese Skiurlaube im schönen Karwendel mit der ganzen Familie, die ich als einziges wirklich vermisse, seit wir in die Wüste gezogen sind.

Nicht ganz konsistent mit obigem Umweltbezug war es daher, als ich mit Johanna nach ihren Prüfungen ins Ski Dubai bin, um dann doch endlich mal wieder einen Schneehang runterzurutschen. Dort war ich das letzte Mal vor zehn Jahren, aber mit Skifahren ist es bekanntlich wie mit dem Radeln: Man verlernt es nicht und die Gaudi wird auch nicht weniger.

Ski Dubai ist eine unserer größten Attraktionen, kann mit seinen 12 Jahren seit Eröffnung schon als Klassiker bezeichnet werden, steht auf meiner Dubai Bucket List und ist somit ganz klar für einen Blogbeitrag qualifiziert.


Es geht dabei nicht nur ums Skifahren, sondern um Spaß - Pinguine inklusive - für die ganze arabische Großfamilie, die vielleicht noch nie in ihrem Leben Schnee gesehen oder richtige Kälte verspürt hat. Die eigentliche Skipiste ist 400 Meter lang, nach rund 30 Sekunden steht man wieder unten. Anscheinend hat sie sogar einen "schwarzen" Abschnitt. Zum Glück gibt es einen recht flotten Schlepplift ("For experts only"), der einen schnell wieder hochbringt.

Nicht-Skifahrer lassen sich von dem Sessellift in der Mitte der Halle einmal rauf und wieder runter gondeln, zum Spaß und im Schneckentempo. Natürlich hat er eine Mittelstation mit "Wirtshaus" - auf Hüttenzauber mit Jagertee sollte man aber nicht hoffen. Wer dem Trubel stilvoll zuschauen möchte und viel Kleingeld hat, der kann sich im angeschlossenen Kempinski ein "Aspen Ski Chalet" mit Blick auf die Piste buchen.





Johanna und ich haben's nach zwei Stunden Dauerfahren im Cafe St. Moritz bei heißer Schokolade und Kaminfeuer gemütlich ausklingen lassen. Siehe letztes Bild: Das Feuer war ein Film auf einem Bildschirm - insofern stilecht, da passend zur brutalen Künstlichkeit dieses Entertainmentmonsters.

Bei einer Innen-Aussen-Temperaturdifferenz von bis zu 50 Grad stellt sich natürlich die Frage nach dem Energiehunger des Monsters, und wie sich dieser verhält zu anderen Großanlagen wie z.B. deutsche Skihallen oder Schwimmbäder. Also fing ich an zu recherchieren, und siehe da, nix genaues weiß man nicht. Was man an Informationen finden kann, weicht teilweise um mehrere Zehnerpotenzen voneinander ab. Je nach politischer Einfärbung findet man lächerlich kleine und gigantomanisch große Werte, durch keine Überschlagsrechnung gestützt. Außerdem hängt es stark davon ab, ob die AutorInnen den Unterschied zwischen Leistung und Energie überrissen haben und dabei nicht auch noch mit Kilo-, Mega- oder gar Gigawatt(stunden) durcheinander kommen. Viele scheitern hier kläglich, überraschend ist es nicht. Je nach persönlichem Halbwissen und Kombination falscher Faktoren kommt dann der Energieverbrauch einer grasenden Kuh oder der Großstadt Hamburg dabei heraus.

Dazwischen liegt irgendwo die Wahrheit. Sie dürfte bei denen zu finden sein, die so ein Ding entwerfen, kalkulieren und bauen können. Die Fachzeitschrift Construction Week gibt hier einen plausiblen Wert von 4 MW durchschnittlicher Leistungsaufnahme an. Das ist viel, kein Wunder, im Vergleich zum Gesamtwert der angeschlossenen Mall of the Emirates von 52 MW aber eher wenig. Hinzu kommen 30 Tonnen "Neuschnee" pro Nacht, also 30,000 Liter Wasser, das von der Entsalzungsanlage in Jebel Ali gewonnen werden muss. Shinebar shocking, aber: Diese arbeitet mit dem (relativ!) energiearmen Reverse-Osmose-Prinzip und einem Wirkungsgrad von über 80%. Der Energieeinsatz für diese 30 Kubikmeter stellt sich selbst bei pessimistischer Annahme (12 kWh/cbm wegen hohen Salzgehalts) als vernachlässigbar zu den 4 MW heraus.

Das soll jetzt keine Absolution sein, aber das ist nun mal der Preis, wenn man eine Riesenstadt in die Wüste baut, wo bis vor kurzem nur Kamele zwischen Schlangen und Skorpionen sowie ein paar Fischer und Perlentaucher anzutreffen waren. Die Moralkeule bleibt besser stecken, denn auch Europa hat jede Menge Energiefresser (und ein Dieselproblem). Das Land ist nicht stolz auf seinen Ecological Footprint und unternimmt einiges, um ihn mit modernster Technologie und Milliardeninvestitionen zu reduzieren (deren Wertschöpfungskette, nebenbei bemerkt, über die halbe Welt reicht, also bitte kein Neid auf unsere Yachtenbesitzer) und sich so für das postfossile Zeitalter zu rüsten. Weiterführende Artikel: Dieser und jener und viele andere.


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