Montag, 23. September 2013

Der Prozess

Kafka hat sich das alles gar nicht ausgedacht - er war wohl Expat in Dubai.

Habe gestern im Immigration Department die Besuchervisa der Familie verlängern wollen. Anständiges Gebäude voller Emiratis, die den Laden schmeißen. Das nennt sich Emiratisation und soll die einheimische Bevölkerung an die Zumutungen der Arbeit gewöhnen - aber nur gaaanz langsam. Es sieht alles recht professionell aus: Am Infostand kriegt man Antworten, man zieht eine Nummer, setzt sich hin und schaut aufs Display. Dutzende Schalter sind mit Ladies in Black besetzt.

Ich komme dran, werde aber weder begrüßt noch überhaupt angesprochen. Ich nehme Untertanenhaltung ein und bringe mein Anliegen vor. Nach einer halben Stunde Rumhacken auf der Tastatur (meistens nur Cursor rauf und runter) bedeutet man mir wortlos, zum Nachbarschalter zu gehen. Ich krieche im Staub hinüber. Dort erfahre ich, dass zwei der Pässe nicht im System sind, quasi illegale Einreise. Der Befehl "Go to Section 15" klingt ganz nach Orwell. Dort sitzt eine Bande von bärtigen Offizieren in blitzblanken Uniformen, die gegenseitig Fotos von sich machen - Gruppenbild mit Dame. Ich ziehe eine Nummer und rechne mit sofortiger Deportation. Das Problem wird aber, wieder mittels intensivem Einhacken auf die Tastatur, kompetent und humorvoll gelöst.

Jetzt ins Typing Office, um einen Antrag in arabischer Sprache ausfüllen zu lassen. Bisher ging es nämlich nur um den Antrag, einen Antrag stellen zu dürfen. Ich soll 3000 Dirhams abdrücken, in Cash, muss aber immerhin keine Nummer ziehen. Also weiter zur Bank, die nicht zufällig gleich daneben steht. Dann beim Cashier anstehen und mit Quittung zurück zum Typer, der meinen Antrag einhackt und ausdruckt.

Nun zurück zu Dame Nr. 2, wo der Antrag mittels Tastatur bearbeitet wird. Ich schau mich um. Am Nachbarschalter sitzt ein Mann, der nur seine Maid anmelden möchte. Vor sich Dutzende Dokumente, aber eines fehlt, und er wird weggeschickt. Er sackt in sich zusammen und sagt, er sei bereits zum vierten Mal hier, und jedesmal höre er etwas neues. "Why new, no new, all easy" sagt die Dame. Er war nicht zum letzten Mal da.

Ich wohl auch nicht. Der Prozess stockt bei Lenas Pass. Dame Nr. 2 sagt, ich muss zu Counter 17, Lena stehe auf der Blacklist. Gesuchte Terroristin, vermute ich. Spätestens jetzt werde ich völlig willenlos. Nummer ziehen, warten. Dame Nr. 3 am Counter 17 hackt auf die Tastatur ein und bestätigt nach einer Weile das Gegenteil - No blacklist, no problem, all easy.

Als ich bei Dame Nr. 2 wieder drankomme, glaubt sie mir nicht. Vielleicht bin ich nicht untertänig genug. Die Sache wird zwischen den beiden dann auf arabisch ein für allemal geklärt. Nach einer weiteren halben Stunde Hackerei kriege ich tatsächlich die Papiere und darf gehen.

Fünf Minuten später ist man schon wieder gut drauf und sagt sich: "Na prima, hat doch alles bestens geklappt!". Immerhin bin ich nicht verhaftet worden. Zusammenfassend: Drei Stunden, zehn Stationen, 600 Euro, wegen vier Stempel.


Um fair zu bleiben: Es hat sich vieles verbessert. Hinter der organisierten Fassade tobt zwar das arabische Chaos, aber man hat es im Griff, bleibt gelassen und zeigt sich flexibel. Damals 2006 war ich in derselben Schalterhalle, und es galt mehr oder weniger das Recht des Stärkeren bzw. Lautesten. Mit der Konsistenz von Informationen hapert es zwar noch immer - aber mit seinen deutschen Maßstäben braucht man auch nicht kommen. Nur die Ladies in Black, die könnten wirklich freundlicher sein.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen